Parfumo

Die EU-Kommission soll Wertvolles schützen: Gesundheit UND das Kulturgut Parfumerie

Wir, die unterzeichnenden Verbraucherinnen und Verbraucher, sind gegen eine Gesetzesänderung, die die Palette der europäischen Parfumerie farblos machen würde.

Wir Verbraucherinnen und Verbraucher wollen keine weitere Einschränkung von Duftstoffen in Parfums.

Wir unterstützen den Beitrag der „Initiative von Verbraucherinnen und Verbrauchern für den Schutz des Kulturgutes Parfum“1 zur öffentlichen Konsultation2 anlässlich der Novellierung der Kosmetikverordnung (Verordnung EG Nr. 1223/20093) durch Änderung der Anhänge II und III. Wir fordern mit unseren Unterschriften, dass sich die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger eine umfassende Perspektive verschaffen, über das Gutachten des Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS)4 und die Ergebnisse der Konsultationen hinaus. Und dass sie eine Regelung finden, die im Interesse

  • des EU-Verbraucherschutzes,
  • der kulturellen Identität der EU,
  • der wirtschaftlichen EU-Interessen
  • und der EU-Verbraucher/innen-Interessen, über Gesundheitsschutz hinaus, liegt.

Verbraucher/innenschutz ist wichtig. Wir begrüßen, dass die Kosmetikverordnung dem intransparenten Einsatz potenziell allergener Stoffe in Kosmetikartikeln Einhalt gebietet. Dabei darf jedoch das Kulturgut Parfumerie nicht gleichgesetzt werden mit Produkten, die ein unüberschaubares Allergierisiko bedeuten, denn bei Parfums ist das Gefahrenpotenzial leicht zu erkennen und einzugrenzen:

  • Die seltene individuelle Unverträglichkeit eines Parfums5 stellt der/die Verbrauchende leicht und unmittelbar an sich selbst fest und kann selbstbestimmtes Meideverhalten anwenden, ohne Risiko auf sich zu nehmen.
  • Es gibt kein Auslösen neuer Unverträglichkeit durch nicht selbstbestimmte Aussetzung: Sensibilisierung durch Parfumbenutzung anderer ist unmöglich. Das hat das Bundesumweltamt in einer Studie überprüft. Demnach stellen Kontaktallergene, die inhaliert werden können, kein Risiko dar, allergische Symptome nach Einatmen zu entwickeln – auch nicht bei Menschen mit bereits vorhandener Allergie.6, 7

Darüber hinaus gibt es wissenschaftliche Einwände gegen die Methodik des Patchtests, die dem SCCS-Gutachten zugrunde liegt und Zweifel an der Zweckdienlichkeit der damit ermittelten Grenzwerte. Erstens ist die eingesetzte Konzentration des jeweils untersuchten Stoffes um ein Vielfaches höher, als bei jeder realen Parfumanwendung. Zweitens verbleibt die zu untersuchende Substanz 48 Stunden auf der Haut, ohne verdunsten zu können. Aber jeder flüchtige Riechstoff (und beim Einsatz als Riechstoff geht es ausnahmslos um dessen flüchtiges Wesen) wird innerhalb der nächsten 24 Stunden verdunstet sein, und damit vermindert sich seine Konzentration auf der Haut ständig. Die Patchtest-Simulation ist nicht nur unpassend, sondern faktisch gegenläufig zum Kontakt mit Parfum!8

Gegen eine Verordnung, die hinwegsieht über den Unterschied von Parfum zu anderen Produkten und die den Mangel an adäquater Forschung wie geeigneter Werte ignoriert, spricht im Falle der Parfumerie ihre Rolle als Kulturgut:

  • Parfumerie ist eine Kunstform: Weltweit erkennen die Kulturwissenschaften Duftkomposition zunehmend als Kunstdisziplin an und Museen für olfaktorische Kunst entstehen. Es gibt Parfum, das mit einfachen Kunstformen vergleichbar ist und solches, das hochkomplexer künstlerischer Komposition ähnelt. Gerade das letztere würde erheblich eingeschränkt oder gar unmöglich, brächte die Verordnung eine weitere Einschränkung seiner Materialien.
  • Parfumerie ist Träger europäischer kultureller Identität: Sie ist Ausdruck des Regionalen (ob Kräuter der Macchia, Lavendel der Provence oder Tannen des Schwarzwalds). Sie birgt zugleich eine positive Idee von Nationalität (z. B. charakteristisch französisch, italienisch oder englisch). Ebenso ist das Gesamteuropäische ihr Merkmal (europäische Dufttradition im Vergleich z.B. zur orientalischen).
  • Parfumerie ist Teil europäischer Kulturgeschichte, beginnend beim höfischen Kunsthandwerk über bürgerliche Aneignung, bis hin zur Demokratisierung in der Gegenwart. Teilhabe am Gemeingut Duftkunst lässt sich nicht reduzieren auf eine Erweiterung des Verbrauchermarktes, sondern ist eine gesellschaftliche Entwicklung.

Die bestehende Kosmetikverordnung beschränkt bereits die Palette der Parfumerie. Die empfohlenen Änderungen wären darüber hinaus eine erhebliche Zäsur olfaktorischen Kunsthandwerks (das gilt für die einfacheren Formen der Parfumerie wie auch für die künstlerisch anspruchsvollen).9

Weiterhin wären besonders kleine und mittlere Unternehmen der Parfumproduktion und damit mittelständische Arbeitsplätze betroffen von den Verordnungsänderungen (von Verboten wie Deklarationspflicht):

  • Unternehmen in Parfumkreation und -herstellung10
  • Firmen der Riechstoff- und Parfumölherstellung11
  • landwirtschaftliche Betriebe im Bereich Rohstoffgewinnung12

Die sicheren und wahrscheinlichen Folgen der aktuellen Beschlussvorlage sind nicht hinnehmbar.

Angesichts des überschaubaren Gefährdungspotenzials wollen wir selbst entscheiden, welches Parfum mit welchen Duftstoffen wir tragen. Es besteht keine Notwendigkeit Verbraucher/innen durch Verbote in ihrer Wahlfreiheit zu beschneiden, wenn die 1-3% der Bevölkerung, die von spezifischen Allergien betroffen sind, ihre Interessen selbstbestimmt durch Information und Meideverhalten umsetzen können. Wir wollen, dass die Vielfalt der Düfte in Parfums erhalten bleibt und dass wir weiterhin die Wahl haben.


SCHUTZ EINES TEILS EUROPÄISCHER KULTUR,

SCHUTZ EINES TEILS EUROPÄISCHER IDENTITÄT,

SCHUTZ EINES TEILS EUROPÄISCHER GESCHICHTE

(VERGANGENER, GEGENWÄRTIGER UND ZUKÜNFTIGER)


UND SCHUTZ VOR GESUNDHEITSRISIKEN WIDERSPRECHEN SICH NICHT!



Petition unterzeichnen »


2 Öffentliche Konsultation über Duftstoffallergene im Rahmen der Verordnung EG Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über kosmetische Mittel (Englisch): http://ec.europa.eu/dgs/health_consumer/dgs_consultations/ca/consultation_cosmetic-products_fragrance-allergens_201402_en.htm
3 Verordnung EG Nr.1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/?uri=CELEX:32009R1223
4 Gutachten des SCCS über Duftstoffallergene in Kosmetikprodukten (Englisch): http://ec.europa.eu/health/scientific_committees/consumer_safety/docs/sccs_o_102.pdf
5 Im Falle des im SCCS-Gutachten beanstandeten Riechstoffs Lyral® z.B. bedeutet die Einstufung „häufiger allergieauslösend als andere Stoffe“, dass 2,7 % der Studienteilnehmer/innen eine Kontaktallergie entwickelt haben (Quelle: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21345163).
8 Auf der Suche nach einer besseren Lösung gilt es einen umfassenderen Diskurs zu führen, der nicht allein auf dem Gutachten basiert - was auch die EU-Kommission erkennt, die bereits im IDEA project (http://www.ideaproject.info/about-idea) eine solche gründlichere Befassung unterstützt.
9 Drei Stoffe, (Chlor-)Atranol und damit Eichen- und Baummoos sowie Lyral®, sollen, der Empfehlung des SCCS-Gutachtens folgend, komplett verboten werden. Bei anderen (darunter elementare wie etwa Geraniol, Cumarin oder Linalool) wäre die im Gesetzesänderungsvorschlag angeratene Maximalmenge für erlaubte Verwendung ohne Deklaration (max. 0,001 % im Leave-On-Produkt) faktisch eine generelle Deklarationspflicht, denn in diesen Mengen könnten die Noten nicht mehr spezifisch wirken – ihre Verwendung wäre unwirksam. Da diese Stoffe in 90% aller eingesetzten ätherischen Öle mehr oder weniger als Hauptbestandteile auftreten, sind diese Öle ebenso betroffen.
10 Parfumproduzierende, die - bei wesentlicher Veränderung des Produkts – nicht in der Lage sind, Ersatzstoffe bei Riechstoffkonzernen teuer einzukaufen oder noch teurer für sich produzieren zu lassen, müssen die eigenen Produkte aufgeben.
11 Kleinere Firmen der Aromachemikalien- und Parfumölherstellung werden die Aufwendungen der Umstellung – z. B. steigende Herstellungskosten – kaum leisten können und deshalb nicht in Konkurrenz zu den großen Konzernen bestehen können.
12 Abgesehen davon, dass Rosenfelder in Bulgarien oder Immortelleheiden auf Korsika den Rang von Kulturerbe haben, sind die landwirtschaftlichen Betriebe direkt abhängig von der Nachfrage nach ihren Ernten, und die Arbeitsplätze bei der Erzeugung der Naturrohstoffe wären existenziell in Frage gestellt.